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Colette – Rudolf Augstein – Thomas Mann

“Streiflichter” – unter dieser Rubrik stellen wir wöchentlich wissenswerte Kurzinfo von der Côte d’Azur und aus der Provence zusammen. Diesmal sind diverse Jubiläen mit Riviera-Bezug der rote Faden. Von Rolf Liffers.

Unvergessene Colette: In Saint-Tropez schlief sie "mit dem Mistral in den Haaren"

Lang ist es her: Hier – in ihrem Haus „La Treille muscate“ in Saint-Tropez – schrieb die Colette zwischen 1925 und 1938 – zumeist vom eigenen Liebesglück getragen – mehrere ihrer erfolgreichen Romane, „La naissance du jour“ („Tagesanbruch“) zum Beispiel, „Sido“ und „Ces plaisirs“ („Diese Freuden“). Den 150. Geburtstag der ersten Französin, die mit einem Staatsbegräbnis (1954) geehrt wurde, haben ihre vielen Bewunderer nicht vergessen, wie ein frischer Blumentopf mit Schleife auf ihrem Grab auf dem Pariser Friedhof Père-Lachaise beweist.

Es ist im Sommer 1925, mitten in den „Années folles“, als die damals 52-jährige Schriftstellerin, Variétékünstlerin und Journalistin nach langer Autofahrt aus Paris ihren Fuß auf den Strand von Beauvallon am Golf von Saint-Tropez setzt und prompt auf einen Seeigel tritt. Ihr neuer Liebhaber, der erst 36-jährige Geschäftsmann Maurice Goudeket, muss ihr von einem Arzt die Stacheln ziehen lassen.

La Treille Muscate
In den „Verrückten Dreißigern“ wohnte die Colette 13 glückliche Jahre in ihrer „Treille muscate“ in Saint-Tropez, bis sie sich diesen geliebten Luxus nicht mehr länger leisten konnte. Foto: Rolf Liffers

Des ungeachtet machen sich die beiden auf die Suche nach einem Haus in Colettes Heimatregion, stammt ihr Vater doch aus Mourillon (heute Toulon). Und sie finden „Tamaris-les-Pins“ in Saint-Tropez, das sie sogleich in „La Treille muscate“ umtaufen. Das Haus hat kein Wasser, keine Heizung, keinen Strom. Es muss von Grund auf renoviert werden. Colette macht sich selbst an die Arbeit, tauscht Feder gegen Hammer, Spaten und Gartenschere.

Dreizehn Jahre lang verbringt Colette nun ihre Sommer hier. Oft auch kommt sie schon im Frühjahr. Bald hat sie zwei Hunde und elf Katzen um sich versammelt. Sie genießt das nahe gelegene Meer, die wilden Bäder und die Nächte unter freiem Himmel. „Ich schlief mit dem Mistral in den Haaren“, notiert sie.

Colette teilt mit Maurice die Freuden der Liebe. Wenn er mal da ist. Denn dieser junge Mann geht in ganz Frankreich den Frauen nach. Egal – die Colette, ebenfalls kein Kind von Traurigkeit, weiß das und ist glücklich. In den 1930er-Jahren jedoch beginnt sich das Leben in Saint-Tropez zu verändern. Der Bürgermeister, Léon Volterra, Direktor des Pariser Etablissements Lido, lockt „halb Paris“ in die kleine Hafenstadt, die – so die Colette – „dadurch schrittweise ihre Seele verliert”. Zudem werden ihre Autorenhonorare immer knapper, und Goudeket geht durch die Krise von 1929 pleite. So eröffnet er in der Bucht von Saint-Tropez ein Geschäft für Schönheitsprodukte, das aber schon bald den Bach runtergeht.

Colettes Traum endet, wie er begonnen hat: Im September 1931 bricht sie sich auf dem Weg nach Les Salins im Var ein Bein – ein Unfall mit schwerwiegenden Folgen, darunter Arthrose, die sich später bis zur Lähmung verschlimmert.

1938 reißt sie sich schweren Herzens von Saint-Tropez los und verkauft die „Treille Muscate“ an den bekannten Schauspieler Charles Vanel.

Spiegel-Gründer Augstein: "Fruchtbare" Zeiten in Saint-Tropez

Augstein
Rudolf Augstein. Archivfoto: Bundesarchiv, B 145 Bild-F058375-0003 / Wienke, Ulrich / CC-BY-SA 3.0

Vor 100 Jahren kommt Spiegel-Gründer Rudolf Augstein zur Welt. Mit seinem späteren Medienimperium macht er Millionen. Neben Immobilien in Hamburg, in der Schweiz und auf Sylt besitzt der berühmte Journalist auch ein Haus in Saint-Tropez, wo ihn wiederholt sein enger Freund, der Erfolgsautor Martin Walser (1927-2023) besucht. Beide lassen in dem Dorf gern Fünfe gerade sein. Frucht der fröhlichen Zeiten ist der Verleger Jakob Augstein („der Freitag“). Rechtlich ist Jakob zwar der Sohn von Rudolf Augstein und der John-Updike-Übersetzerin Maria Carlsson. Sein leiblicher Vater aber ist Walser, wie der damals bereits 35-jährige Jakob erst 2002 – nach dem Tod von Rudolf Augstein – auf Befragen seiner Mutter Maria erfährt und im November 2009 bekannt gibt. Dadurch hatte er plötzlich zwei markante Vaterfiguren: einen der größten Journalisten und einen der größten Literaten Deutschlands.

Rudolf Augstein kann sein Magazin unterdessen wie ein Oligarch beherrschen und es zum Forum seiner aufgeklärten, von nationalem Pathos nicht freien, gelegentlich sehr irrlichternden, oft tief verletzenden Thesen und Gedanken machen. Kanzler und Minister fürchten, viele Kollegen beneiden und viele Frauen lieben den Hannoveraner.

Auf die Frage, was er an Männern am meisten schätze, hatte er bezeichnenderweise gesagt, Zärtlichkeit und Treue. Bei Frauen sei es umgekehrt. Das größte vorstellbare Unglück sei für ihn Enthaltsamkeit.

Von der Talentschmiede zum Kulturzentrum: 100 Jahre Villa Noailles

Villa Noailles
Jetzt genau 100 Jahre alt: Das weltbekannte Kulturzentrum Villa Noailles in Hyères-les-Palmiers, das sich auf Mode, Fotografie, Architektur und Design spezialisiert hat. Foto: Rolf Liffers

In Augsteins Geburtsjahr, also ebenfalls vor 100 Jahren, entstand in Hyères-les-Palmiers im Departement Var die sagenumwobene Villa Noailles. Anfangs von Gnaden des gleichnamigen skandalumwitterten Mäzenenpaars Talentschmiede von damals noch völlig unbekannten, später zum Teil aber weltberühmt gewordenen Nachwuchskünstlern wie Giacometti, Max Ernst, Salvador Dalí, Jean Cocteau, Pablo Picasso, Luiz Buñuel und Man Ray und folgendem langen Leerstand hat es sich seit Übernahme durch die Stadt 1973 zum kulturellen Aushängeschild des Ortes entwickelt.

Die Schwerpunkte internationaler Begegnungen mit weltweiter Strahlkraft liegen alljährlich auf den Gebieten Mode, Accessoires, Fotografie, Architektur und Design. Aus Anlass des Jubiläums wurde bei einem Festakt eine Gedenktafel aus Keramik, Kreation des Duos Jacent, feierlich enthüllt.

Die Villa Noailles ist das einzige Kunstzentrum in Frankreich mit dieser Spartenkombination. Seine Originalität, die Qualität seines Programms und sein lokaler, nationaler und internationaler Einfluss haben ihm das Label „Zentrum für Kunst von nationalem Interesse“ eingetragen. In den Goldenen Zwanzigern von Vicomte de Noailles (auf Land, das er von seiner Mutter zur Hochzeit erhalten hatte) und seiner Frau Marie-Laure de Noailles in Auftrag gegeben, ist das Gebäude heute auch Denkmal der ersten französischen Konstruktionen des modernen Stils.

Eigentlich sollte das Haus von Ludwig Mies van der Rohe oder Le Corbusier entworfen werden. Doch Rohe sagte ab, und mit Le Corbusier gab es Meinungsverschiedenheiten. So hatte der Architekt Robert Mallet-Stevens schließlich die Bauleitung übernommen.

Vor 90 Jahren beginnt am Meer Thomas Manns französisches Exil

Artikel
Vor 20 Jahren erst wurde durch einen Artikel in der Riviera-Côte d’Azur-Zeitung bekannt, dass Thomas Manns politisches Asyl vor 90 Jahren (1933) in Le Lavandou begonnen hat (unsere Reproduktion zeigt den Nachdruck unserer Reportage in der Kulturzeitschrift "figure libre"). Repro: Rolf Liffers
Thomas Mann
Thomas Mann. Archivfoto: Los Angeles Daily News, Thomas Mann in Los Angeles, CC BY 4.0

Vor 90 Jahren hat Thomas Mann endlich begriffen, dass ihn auch sein Literaturnobelpreis von 1929 nicht vor den Nationalsozialisten schützen kann. Hals über Kopf steigt er mit seiner Frau Katia in den Nachtzug und reist im Schlafwagen von der Schweiz aus im Nachtzug nach Toulon, wo sie von ihren Kindern Klaus und Erika abgeholt und mit der gesamten übrigen Familie sowie engen Freunden im Hotel „Les Roches fleuries“ in Le Lavandou untergebracht werden.

Damit beginnt praktisch ihr politisches Exil im (noch) unbesetzten Vichy-Frankreich. Dort findet Thomas Mann endlich für ein paar Tage die Ruhe, um in Tolstois „Krieg und Frieden“ weiterzulesen. Zwischendurch bemüht er sich um ein Haus in der Nachbarschaft von André Gide, findet aber keines. So zieht er nach Bandol weiter und schließlich nach Sanary-sur-Mer, die später sogenannte „Hauptstadt der deutschen Literatur“.

Dort trauert er Le Lavandou nach, sei dort doch alles „malerischer und griechischer“ gewesen. In Sanary mieten die Eltern Mann ein Haus, das sie fünf Monate lang bewohnen und in dem Thomas an seiner Trilogie „Joseph und seine Brüder“ weiterschreiben kann. Danach versuchen die Manns sich in der Schweiz zu etablieren. Nach der Übernahme der Nazis auch von Österreich nehmen sie 1938 jedoch ein Schiff ins sichere Amerika und kehren erst 1952 nach Europa zurück.

Übrigens...

…während die Deutschen beim Smalltalk gern “vom Hölzchen aufs Stöckchen” kommen, spricht der Franzose von „sauter du coq à l’âne“ – vom Hahn auf den Esel springen.

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