In Deutschland ist er nicht so bekannt. In Frankreich war er schon fast wieder vergessen, weil er seit Jahren keine Kinofilme mehr auf die große Leinwand gebracht hat. Jetzt aber ist Xavier Dolan wieder in aller Munde, weil der mehrfach ausgezeichnete junge kanadische Regisseur und Filmproduzent zum Präsidenten der Jury für die renommierte Nebenreihe „Un certain regard“ der 77. Internationalen Filmfestspiele von Cannes 2024 auserkoren worden ist. Wer dem Gremium sonst noch angehören wird, soll am 11. April bekanntgegeben werden.
Nach Angaben der Festspiel-Organisatoren hat sich der 34-jährige Québecois als „von dieser Ehre überwältigt“ gezeigt. Zugleich habe er erklärt, „noch mehr, als Filme zu machen, habe ihn schon immer gereizt, andere talentierte Filmemacher zu entdecken“. Als Vorsitzender der Jury werde er also „Filmen mit leidenschaftlicher Suche nach Wahrheit“ seine ganze Aufmerksamkeit widmen. Denn das sei ja die Aufgabe seiner Jury.
2014 hatte Dolan, damals Gewinner des Preises der Jury für „Mommy“, appelliert: „Lasst uns an unseren Träumen festhalten, denn gemeinsam können wir die Welt verändern. Alles ist möglich für denjenigen, der wagt, arbeitet und niemals aufgibt.“
Mit 19 hatte Dolan seinen ersten Spielfilm „J’ai tué ma mère“ geschrieben, inszeniert und produziert, in dem er auch die Hauptrolle spielte. Der Film war ein Kritikererfolg und vertrat Kanada bei den Oscars. Auch „Les amours imaginaires“, „Laurence Anyways“ und „Mommy“ wurden international bejubelt.
Schon 2015 war der Kanadier Mitglied der Jury des Haupt-Wettbewerbs in Cannes gewesen, die unter dem Vorsitz der Coen-Brüder die Goldene Palme an „Dheepan“ von Jacques Audiard vergab.
2016 erreichte Dolan mit „Juste la fin du monde“ einen weiteren Meilenstein seiner Karriere, als er den Großen Preis in Cannes sowie den Preis der Ökumenischen Jury gewann und bei den Césars dreimal für denselben Film geehrt wurde.
Seit „Matthias et Maxime“ aus dem Jahr 2019 – in Cannes damals im Hauptwettbewerb gezeigt – hat er keine Kinofilme mehr mehr geschaffen. Nach den Dreharbeiten zu seiner Serie „La Nuit où Laurier Gaudreault s’est réveillé“ (2022) hatte er sich erschöpft und von der Resonanz enttäuscht gefühlt.
Im Juli letzten Jahres hatte Dolan sogar angekündigt, dass er „das Filmemachen und die Regie“ aufgeben wolle, um mehr Zeit für seine Gesundheit, seine Familie und seine Freunde“ zu haben. Und: „Ich habe das Gefühl, dass ich alles gesagt habe, was ich zu sagen habe.“
R. Liffers