You are currently viewing Gemälde als Geiseln: In Südfrankreich lebender Russe will Assange freipressen
Andrej Molodkin (l.) will Wikileaks-Gründer Julian Assange (r.) auf spektakuläre Weise freipressen. Fotos: Andrei Molodkin, CC BY-SA 4.0 , via Wikimedia Commons + David G. Silvers, Cancillería del Ecuador — https://www.flickr.com/photos/dgcomsoc/14933990406/, CC BY-SA 2.0, https://commons.wikimedia.org/

Gemälde als Geiseln: In Südfrankreich lebender Russe will Assange freipressen

Seit bald fünf Jahren sitzt Wikileaks-Gründer Julian Assange im Hochsicherheitsgefängnis in Belmarsh bei London. Eine Anhörung vor Gericht ist in dieser Woche für den Australier vermutlich die letzte Chance, sich gegen seine Auslieferung zu wehren. In den USA soll ihm wegen Spionagevorwürfen der Prozess gemacht werden. Ihm droht eine Haftstrafe von 175 Jahren. Jetzt hat ein in Südfrankreich lebender russischer Künstler gedroht, 16 Gemälde von Picasso, Rembrandt und Warhol im Gesamtwert von etwa 42 Millionen Euro zu zerstören, sollte dem inzwischen schwer kranken Assange „etwas zustoßen“. Von Rolf Liffers

Aktueller Hintergrund der ungewöhnlichen Aktion von Andrej Molodkin ist eine zweitägige Sitzung am Londoner High Court. Dort könnte Assanges Auslieferung an die Vereinigten Staaten beschlossen werden. Zwei Richter werden entscheiden, ob er in Großbritannien weitere Rechtsmittel gegen eine Auslieferung an die USA einlegen darf.

Der von der Biennale Venedig bekannte Zeichner, Bildhauer und Medienkünstler Molodkin, dessen Werke auch im Louvre und in der Tate National Collection zu sehen sind, hat die „als Geiseln genommenen Kunstwerke“ (Molodkin) inzwischen in seinen Atelier-Tresor in Maubourguet eingeschlossen, um Assange frei zu pressen. Sollte Assange im Gefängnis sterben, werde er sie mit Säure übergießen und per Zeitzünder sprengen.

Mit dem Projekt (Titel „Dead Man’s Switch“) will Molodkin eigenen Angaben zufolge darauf aufmerksam machen, „dass Kunst zu zerstören ein größeres Tabu ist, als das Leben eines Menschen zu zerstören“, zitierte Sky News den Russen. Die Werke sollen ihm von wohlhabenden Sammlern zur Verfügung gestellt worden sein. Um welche Werke es sich genau handelt, gab er jedoch nicht preis. Kommt der Wikileaks-Gründer frei, sollen die Eigentümer die Bilder zurückbekommen.

In dieser Woche kommt also Bewegung in einen der langwierigsten und tragischsten internationalen Justizfälle der letzten Jahrzehnte. Es geht um Staatsgeheimnisse und Datenleaks, es geht um Kriegsverbrechen, den Vorwurf von Hochverrat und Spionage. Und es geht um die Pressefreiheit in der westlichen Welt, in der größten Demokratie der Welt zumal. Es geht eben um Assange, der im Jahr 2010 geleaktes Videomaterial und Daten der US-Armee veröffentlichte, die zum Teil Kriegsverbrechen im Irak und in Afghanistan dokumentierten. Seit jenem Jahr hat sich Assange nicht mehr frei bewegt.

Der 58-jährige Molodkin stammt aus einer kleinen Stadt im Nordwesten Russlands. Er diente zwei Jahre lang in der sowjetischen Armee und transportierte Raketen durch Sibirien. 1992 schloss er sein Studium an der Fakultät für Architektur und Innenarchitektur an der Stroganow-Universität in Moskau ab. Seine Zeichnungen malt er meist mit dem Kuli, seit er wie alle Soldaten „zwei Bics täglich erhalten hatte, um Briefe schreiben zu können“. In seinen politisch-provokanten Skulpturen und Installationen kommen häufig in der Technik übliche Materialpraktiken zum Einsatz. So entstehen komplexe mechanische Systeme aus Luftkompressoren, gusseisernen Pumpen und Kunststoffschläuchen, durch die Flüssigkeiten wie menschliches Blut und/oder Rohöl fließen.

Print Friendly, PDF & Email

Schreibe einen Kommentar