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Capas Fotos von 1948 zeigen einen entspannten Picasso, der mit seinem Sohn am Sandstrand spielt oder seine Geliebte kavaliersgerecht mit großem Schirm vor der Sonne schützt wie hier in Golfe-Juan. Repro: Rolf Liffers

Schnappschüsse eines privaten Picassos in Münster

70.000 Negative hat einer der berühmtesten Fotografen des 20. Jahrhunderts seiner Nachwelt hinterlassen. Ein eigenes Museum jedoch ist Robert Capa (eigentlich Endre Friedmann) bis heute nicht vergönnt, vermutet Professor Dr. Markus Müller auf Befragen. Jedenfalls sei ihm keines bekannt. Da springt jetzt sein Picassomuseum in Münster mit einer großen Capa-Retrospektive (bis 29. September) in die Bresche. Wieso ausgerechnet das Picassomuseum? Weil Capa mit dem Maler und seiner Lebensgefährtin Françoise Gilot nach deren eigenem Bekunden bis zum frühen Tod des Reporters befreundet war. Capas an der Côte d’Azur entstandene private Fotos von den beiden wurden zum Teil weltbekannt.

"Picassos Arkadien in Südfrankreich"

Kurator Alexander Gaude nutzt den Ausstellungsrahmen zu einer integrierten Studioausstellung zum Thema „Picasso – Krieg und Frieden“ mit einer gesonderten Nische zum Thema „Picassos Arkadien in Südfrankreich“, Landschaft „des familiären Lebensglücks des spanischen Malers wie auch seiner künstlerischen Erneuerung während der Nachkriegszeit“. Picasso (geb. 1881 in Malaga) verbrachte die längste Zeit seines Daseins in der Provence und starb im April 1973 im 30 Kilometer von Nizza entfernten Städtchen Mougins.

Im Zentrum von Capas Schaffen steht immer der Mensch, demonstriert Müller an zahlreichen Bildbeispielen. Hier Zivilisten, denen die Todesangst bei einem Fliegeralarm 1937 in Bilbao ins Gesicht geschrieben steht, und 1944 in Chartre eine kahl geschorene Französin, die ein Kind von einem deutschen Soldaten ausgetragen hatte. Wegen derlei Motiven werde Capas Werk auch der „humanistiichen Fotografie“ zugerechnet, sagte der Museumschef

Weltruhm erlangt Capa mit ikonischen Fotos wie dem „Tod eines Milizionärs“ von 1936 im Spanischen Bürgerkrieg. Das Bild, auf dem der Soldat von francistischen Kugeln tödlich getroffen wird, gibt aber bis heute Rätsel auf. So konnte nie abschließend geklärt werden, ob es authentisch oder nicht vielleicht inszeniert war. Ort des Geschehens und Identität des Gefallenen jedenfalls sind bis heute schleierhaft geblieben

Unter Lebensgefahr schießt Capa im Morgengrauen des 6. Juni 1944 (D-Day) während der ersten Welle der alliierten Landung in der Normandie, der größten Miliäroperation der Weltgeschichte, elf Fotos an Omaha Beach. Heute sind die einstigen Schlachtfelder traurige Touristenattraktionen

Historischer Hintergrund der Ausstellung „Die Wahrheit ist das beste Bild“ sei zum einen der 80. Jahrestag der von Capa dokumentierten ersten Landungswelle der Alliierten in der Normandie am 6. Juni 1944, zum anderen Capas 70. Todestag, begründet Museumsdirektor Müller seine Initiative: Am 25. Mai 1954 wird der Kriegsberichterstatter in Indochina von eine Mine getötet.

Die große Liebe seines Lebens, die aus Stuttgart stammende erste weibliche Kriegsfotografin Gerta Taro (alias Pohorylle), war schon Jahre zuvor mit nur 27 Jahren bei einem Einsatz im Spanischen Bürgerkrieg ums Leben gekommen. Dort hatte der gebürtige Ungar unter anderem den auf republikanischer Seite kämpfenden Ernest Hemingway kennengelernt, der nach dem Sieg des Faschisten Franco (1939) mittellose Kameraden mit Geld unterstützte – wie zum Beispiel den kommunistischen deutschen Schriftsteller Alfred Kantorowitz („Spanisches Tagebuch“), der sich nach Francos Sieg jahrelang mit seiner Frau in Bormes-les-Mimosas versteckt hielt (wir berichteten in der RivieraZeit).

Müller hält Picasso zwar nicht für einen Pazifisten. „In jedem Fall aber war er gegen ein atomares Wettrüsten“, und ab 1936 setzte er sich – zunächst indoktriniert von der französischen KP – über einen Schaffenszeitraum von 30 Jahren immer wieder mit den Themen Krieg und Frieden auseinander. 

Das Spektrum beginnt bei Gewaltdarstellungen aus der antiken Mythologie und führt über Motive der Französischen Revolution und Plakaten für internationale Friedenskongresse und -demonstrationen zu comicartigen Kriegslithografien aus dem Jahr 1968

Lieber keine Kriege, "selbst wenn ich dadurch arbeitslos geworden wäre"

Capa ist zwar ein tollkühner Abenteurer und tummelt sich an vielen Fronten. Lieber wäre es aber auch ihm gewesen, wenn es keine Kriege mehr geben würde, „selbst wenn ich dadurch arbeitslos geworden wäre“.

Sie sahen in Robert Capa einen persönlichen Freund: Picasso und Françoise Gilot (hier am 70. Geburtstag des Malers)

Im Sommer 1948 verbringt der Journalist, der Picassos Lebensgefährtin Françoise Gilot ein paar Jahre zuvor in Picassos Atelier an der Rue des Grands Augustins in Paris kennengelernt hatte, eine Zeit mit dem Paar und dessen Kindern an der Côte d’Azur. „Capa war ein Freund, es ging also überhaupt nicht förmlich zu zwischen uns“, sagte die Gilot über die Atmosphäre, in der der Fotograf zahlreiche Schnappschüsse von ihnen machte. Sie zeigen Picasso, wie er mit seinem Sohn am Strand spielt oder seine Geliebte kavaliersgerecht mit großem Schirm vor der Sonne schützt. Die zärtlichen Porträts, die Capa mit der Kamera einfing, zeigen Picasso als barfüßigen, sorglosen Familienvater, der die einfachen Freuden des Lebens genießt – eine Seite des Künstlers, die nur die wenigsten von ihm kennen.

Auch Henri Matisse wurde von Capa abgelichtet – hier 1949 in dessen Atelier bei Nizza. Insgesamt sind in Münster rund 100 Arbeiten des Fotografen zu sehen, die aus der Sammlung der Fotoagentur „Magnum Photos“ stammen, zu deren Mitbegründern neben David Seymour und Henri Cartier-Bresson auch Capa gehörte

In Münster sind rund 100 Schwarz-Weiß-Bilder von Capa zu sehen, die in Zusammenarbeit mit der Fotoagentur Magnum zusammengestellt wurden, die er mitbegründet hatte – darunter auch solche von Hemingway, Truman Capote, Gary Cooper und Ingrid Bergman, die einst seine Geliebte war. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, könnte man sagen, war die Schauspielerin doch Tochter eines Fotografen, von Justus Samuel Bergman, und der Kielerin Frieda, die 1907 in Hamburg geheiratet hatten.

Rolf Liffers

(Fotos und Repros: Rolf Liffers)

Anm.d.Red.: Nach Recherchen von azurblau.fr gibt es doch ein Capamuseum. Es befindet sich in einer alten sizilianischen Villa und ist weithin unbekannt

Im Café vor dem Picassomuseum wird mit einem überdimensionalen Konferfei von Robert Capa für die Ausstellung „Die Wahrheit ist das beste Bild“ geworben

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