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Die finnische Schauspielerin Sirpa Lane (1952-1999), fotografiert von Alice Springs alias June Newton im Jahr 1972. © Helmut Newton Foundation

Achse Monaco-Berlin: Newton-Stiftung zeigt große Retrospektive der Fotografin Alice Springs

Aus Anlass des 100. Geburtstags der australischen Fotografin June Newton alias Alice Springs eröffnet die Berliner Helmut Newton Foundation (HNF) am heutigen 2. Juni eine große Retrospektive. Gezeigt werden von der vor zwei Jahren in Monte-Carlo gestorbenen Künstlerin über 200 Bilder, teilte das Museum für Fotografie mit.

Obwohl dort bereits 2010 und 2016 größere Springs-Ausstellungen stattgefunden hatten, wurden viele Aufnahmen bislang noch nie gezeigt. Das soll sich nun ändern: Eine ausgiebige Recherche im hauseigenen Archiv, insbesondere des kürzlich nach Berlin verbrachten Bestandes aus der gemeinsamen Wohnung der Newtons in Monaco, hat einen neuen Einblick auch in das Schaffen der gebürtigen Australierin ermöglicht – und diese teilweise spektakulären Ergebnisse werden nun, als vintage oder exhibition prints, erstmals zu sehen sein.

Unter dem Pseudonym Alice Springs arbeitete June Newton seit 1970 als Fotografin, insbesondere im Bereich Porträt. Am Anfang des eigenen Œuvres stand eine Grippe Helmut Newtons. June Newton ließ sich von ihm die Handhabung von Kamera und Belichtungsmesser erklären und fotografierte 1970 in Paris ein Werbebild für die französische Zigarettenmarke „Gitanes“. Das Porträt des rauchenden Models war der Startschuss für die neue Karriere der australischen Theaterschauspielerin, die in Frankreich aufgrund der Sprachbarriere nur wenig Aussicht auf ein Engagement besaß. In der Folgezeit vermittelte ihr José Alvarez, der damals in Paris eine Werbeagentur leitete, Aufträge für Werbeaufnahmen von pharmazeutischen Produkten. Und Alvarez, inzwischen Chef der „Editions du Regard“, war es auch, der 1983 den ersten Porträt-Band von Alice Springs verlegte.

Menschenbilder voller Empathie

Ab Mitte der siebziger Jahre entstanden nämlich auch zahlreiche Porträts, Menschenbilder voller Empathie, die bis heute die für Alice Springs so charakteristische Mischung aus Einfühlung und Neugierde auf ihre Zeitgenossen transportieren. In den Porträts ihrer Fotografenkollegen – darunter Richard Avedon, Brassaï, Ralph Gibson, Sheila Metzner und Robert Mapplethorpe – sowie anderer Prominenter wie Nicole Kidman, Isabelle Adjani, Vivienne Westwood, Liam Neeson oder Claude Chabrol gelingt es Alice Springs nicht nur, das Aussehen der Dargestellten einzufangen, sondern auch deren Aura.

Auch wenn die meisten der Porträtierten zum kulturellen Jetset gehören, macht Alice Springs grundsätzlich keinen Unterschied zwischen den gesellschaftlichen Schichten, bemerkte die HNF. Ihren Kamerablick auf die Menschen konzentriert sie meist auf deren Gesichter; zuweilen fasst sie sie im engen Bildausschnitt als Brust- oder Dreiviertelporträt. Die Porträtierten schauen neugierig, offen und direkt in ihre Kleinbildkamera. Nur wenige Studio-Porträts sind darunter, die Mehrzahl entstand vielmehr – meist bei natürlichem Licht – im öffentlichen Raum sowie vor oder in den Wohnungen der Protagonisten. So begegnen uns eitle Posen oder ein natürliches Selbstbewusstsein ebenso wie schüchterne Blicke. Die Bildnisse, im Auftrag von Zeitschriften ebenso wie aus freiem Antrieb entstanden, werden zu visuellen Kommentaren, zu Interpretationen der Dargestellten. Alice Springs lässt jedem und jeder Porträtierten seine oder ihre Individualität. Dabei gelingt es ihr immer wieder, dem allgemeingültigen und bekannten Bild ein möglichst klischeefreies, neues und ungewöhnliches Abbild hinzuzufügen. Möglicherweise hilft ihr die tiefe Kenntnis des Schauspiels, gleichzeitig auf und hinter die Fassade des Menschlichen zu schauen.

Abgerundet wird die repräsentative Werkschau durch gegenseitige sowie Porträts ihres Mannes, die häufig während seiner Shootings entstanden. June Newton war von 1948 bis zu dessen Unfalltod im Jahr 2004 mit dem Berliner Helmut Newton verheiratet. Beide lebten in Monaco.

R.L.

Alice Springs. Retrospektive

3. Juni – 19. November 2023

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