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Fast 800 Juden sind im Januar 1943 in Marseille festgenommen und in Vernichtungslager deportiert worden.

Marseille gedenkt der Razzien von 1943: „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“

80 Jahre danach hat die Stadt Marseille letzten Sonntag der Razzien von 1943 und der Zerstörung der Altstadtviertel während des Zweiten Weltkriegs gedacht. Der Bürgermeister der zweitgrößten Stadt Frankreichs sprach von einem „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“.

Was damals geschah, ist eine Tragödie, die wir nie vergessen dürfen.“ Viel zu lange sei sie verdrängt worden „und schon fast aus unserem kollektiven Gedächtnis gelöscht gewesen“, bedauerte Benoît Payan (union de la gauche) bei einer Zeremonie. Und dann erinnerte er eindringlich an die Razzien, Deportationen und Zerstörungen, die vom französischen Vichy-Regime auf Befehl der Nazis verübt worden seien.

„Acht Jahrzehnte hat es nun gedauert, bis ein Bürgermeister und Minister die so genannte Operation Sultan als Verbrechen gegen die Menschlichkeit anerkannt haben“, fügte er bewegt hinzu. Die Anwesenheit des französischen Innenministers Gérald Darmanin bei der Feierstunde sei „als eine Form der nationalen Anerkennung“ dieser Ereignisse zu betrachten, die viel zu lange im Schatten der Geschichte verblieben seien.

"Zu wenig in den Geschichtsbüchern"

Payan appellierte an Staatspräsident Emmanuel Macron, sein gesamtes Kabinett möge in Marseille eine entsprechende Anerkenntnis-Erklärung unterzeichnen, um die Bewusstseinslücke zu schließen. Künftig müssten die Ereignisse von Marseille viel stärker in den Geschichtsbüchern der Republik geschildert werden.

Zur Erinnerung: Zwischen dem 22. und 24. Januar 1943 waren in den Altstadtvierteln von Marseille auf Beschluss der NS-Besatzer und unter aktiver Mitwirkung des französischen Vichy-Regimes eine Reihe von Razzien durchgeführt worden, die neben der Razzia im Pariser Vel d’Hiv sechs Monate zuvor zu den größten und grausamsten Aktionen dieser Art gehörten.

Fast 800 Juden, insbesondere aus dem Opernviertel, seien damals in Vernichtungslager deportiert worden. Eine zweite Razzia hatte sich gegen „La petite Naples“, das historische Herz von Marseille hinter dem Alten Hafen, gerichtet. Dieses beliebte Viertel war gewaltsam von seinen Bewohnern geräumt worden, von denen viele italienische Einwanderer waren.

Diese Viertel waren von den Nazis als „Schweinestall“ und Widerstandsnest angesehen worden. Später wurden sie gesprengt und von der Landkarte getilgt. Insgesamt 20.000 Menschen waren betroffen, 15.000 von ihnen waren in Fréjus interniert, 1642 von ihnen in Konzentrationslager verbracht worden.

Rolf Liffers

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