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Gérard Philipe 1956 in dem DEFA-Film «Die Abenteuer des Till Ulenspiegel». © DEFA-Stiftung

Gérard Philipe wäre im Dezember 100 geworden

Die Gemeinde Ramatuelle im Golf von Saint-Tropez feiert in diesem Dezember ihren unbestritten beliebtesten Bürger – den Film- und Theaterschauspieler Gérard Philipe, der am Vierten des Monats seinen 100. hätte feiern können – wenn er, zum Leidwesen seiner Millionen Verehrer(-innen), nicht mit 36 Jahren gestorben wäre. Der aus Cannes gebürtige Kinoheld und Frauenschwarm liegt dort (im Kostüm des „El Cid“) neben seiner Frau, der auch in Deutschland bekannten Schriftstellerin Anne Philipe („Nur einen Seufzer lang“), in einem bescheidenen Grab auf dem Friedhof.

Grab in Ramatuelle
Der Grabstein von Gérard und Anne Philipe in Ramatuelle. Foto: Ντμίτρι, CC BY-SA 3.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0>, via Wikimedia Commons

An seinem Ehrentag selbst weinte diesmal nicht nur seine Fangemeinde, sondern auch der Himmel. Viele Unentwegte aber ließen sich trotz strömenden Regens nicht davon abhalten, Blumen am Grab niederzulegen, eine „table ronde“ zu seinen Ehren zu besuchen und open air eine Fotoausstellung („Promenade à Ramatuelle avec Gérard Philipe“) abzuschreiten, die noch bis zum 31. März 2023 zu sehen sein wird.

Unter den Gästen die Schriftstellerin Geneviève Winter, deren Philipe-Biographie erst im November bei Gallimard erschienen ist, sowie Philipes Sohn Olivier, der auf dem elterlichen Weingut („La Rouillère“), dem Elternhaus seiner Mutter, lebt und sich – im Unterschied zu seiner Schwester, der Schauspielerin Ann-Marie – nur sehr selten in der Öffentlichkeit zeigt. Gezeigt wurde indessen ein bisher unveröffentlichter Dokumentarfilm („Der letzte Winter des Cid“) von Patrick Jeudy nach dem gleichnamigen Roman von Jérôme Garcin über den letzten Sommer von Philipes Leben in Ramatuelle und dem folgenden Winter in Paris. Bisher war der Film nur in einer Privatvorstellung der letzten Filmfestspiele von Cannes zu sehen gewesen.

Einer der populärsten französischen Schauspieler

Seine Frau Anne, gelernte Ethnologin, hatte das Filmidol 1951 in Nizza kennengelernt. Sie ließ sich für ihn scheiden und heiratete den Anwaltssohn 1951. Ihr Mann zählte zu den populärsten französischen Leinwanddarstellern seiner Zeit. Nach dem Abi hatte er zunächst ein Philosophie-Studium begonnen, sich dann aber der Schauspielerei zugewandt.

Nach ersten Auftritten an einem Boulevardtheater in Nizza zog es ihn nach Paris. Dort wurde er schon bald durch das Stück “Sodom und Gomorrha” von Jean Girodoux, vor allem aber 1945 mit der Titelrolle in “Caligula” von Albert Camus bekannt.

1951 trat er Jean Vilars Theater bei, mit dem er aber nicht nur in Paris, sondern auch auf dem Festival von Avignon und auf Tourneen in Stücken wie „Le Cid“ von Pierre Corneille oder „Der Prinz von Homburg“ von Heinrich von Kleist große Erfolge verbuchen konnte. In anderen, auch zeitgenössischen Stücken führte er bald auch selbst Regie.

Gleichzeitig feierte Philipe aufgrund seines jugendlichen Charmes und seines Charismas Publikumserfolge auf der Leinwand. Als romantischer Held trat er in der Stendhal-Verfilmung „Die Kartause von Parma“ auf. In dem auf dem Fauststoff beruhenden Film „Der Pakt mit dem Teufel“ war er 1950 erstmals unter der Regie von René Clair zu sehen, mit dem er später noch an der Seite von Martine Carol und Michèle Morgan Komödien und Dramen drehte.

"Fanfan der Husar" war sein größter Erfolg

1958 spielte er mit Lili Palmer in der Biographie von Amedeo Modigliani. Es war jedoch die Titelrolle in dem Mantel- und Degen-Film „Fanfan der Husar“, in der er neben der Lollobrigida seinen größten Leinwanderfolg verbuchen konnte. Als Cid stand er auch am New Yorker Broadway auf der Bühne. Dann drehte er mit Roger Vadim „Gefährliche Liebschaften“ und spielte neben Jeanne Moreau die Rolle des Valmont. 1959 machte er mit Luis Bunuel seinen letzten Film. Philipe starb noch im selben Jahr während der Dreharbeiten für einen neuen Film an Leberkrebs.

Der „Liebling der Götter“, als der er gern bezeichnet wurde, galt vielen als begnadeter Mime. Selbst seine politischen Ansichten, seine Vorliebe für den russischen Film, sein Versuch, eine französisch-chinesische Produktion zu realisieren, und seine Zusammenarbeit mit der DEFA schadeten seiner Karriere nicht. Als politisch interessierter Schauspieler nahm er an Protesten gegen Kernwaffen teil.

Gérard Philipe war von 1951 bis zu seinem Tod mit der Ethnographin, Schriftstellerin und Schauspielerin Nicole Fourcade (1917–1990) verheiratet, die sich später Anne Philipe nannte. Die gemeinsame Tochter Ann-Marie kam am 21. Dezember 1954 zur Welt; am 9. Februar 1956 folgte das zweite Kind, Olivier.

Zahlreiche Schulen und Theater tragen heute in Europa Philipes Namen. Übrigens auch ein Kino in Berlin-Treptow.

Im Zweiten Weltkrieg hat sein Vater Marcel Philipe mit den deutschen Besatzern kollaboriert. Er war Verwalter des Parc Palace, des Treffpunkts der Deutschen in Grasse.
Auf der Gegenseite kämpfte Gérard im August 1944 während des Aufstands für die Befreiung von Paris in der Résistance. Marcel Philipe wurde gefangen gesetzt. Sein Sohn versuchte, seine Beziehungen zu nutzen, um ihm zu helfen. Schließlich gelang seinem Vater 1945 die Flucht nach Spanien und er wurde in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Nach einer Amnestie kehrte er, zehn Jahre nach dem Tod seines Sohnes, nach Frankreich zurück.

Rolf Liffers

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